Nachrichten aus der Partnerstadt

Partnerschaftstreffen in Argentat vom 20. – 24. Juli 2016

Mitternacht war schon vorüber und bis zur Rückfahrt nach Bad König blieben nur noch wenige Stunden, als Ellen Nisch, Vorsitzende des Partnerschaftskomitees von Bad König die trotz der späten (oder frühen) Stunde noch in großer Zahl in der Mehrzweckhalle von Argentat versammelten deutschen und französische Freunde der Jumelage Bad König / Argentat zur Übernahme von Verantwortung für das “krisengeschüttelte Europa” aufrief, auf dass ein vereinigtes Europa eine Chance haben möge. Ellen Nischs französische Kollegin Nicole Farges stärkte ihr sogleich den Rücken: In Krisenzeiten gehöre Solidarität zur Partnerschaft, und nur durch gemeinsame Anstrengungen bewährten sich die von allen geteilten demokratischen Grundwerte. Worte, mit denen die beiden Damen am Ende eines denkwürdigen Besuches deutscher Gäste in Argentat die Ereignisse der vorangegangenen vier Tage noch einmal Revue passieren ließen, Tage, angefüllt mit interessanten Informationen und freundschaftlichen, ja: herzlichen Begegnungen zwischen den Bad Königer Besuchern und ihren französischen Gastgebern, aber eben auch Tage, an denen am Horizont aufgezogene dunkle Wolken Deutsche wie Franzosen daran erinnerten, dass deutsch-französische Freundschaft sich nicht auf “Friede, Freude, Eierkuchen” beschränken kann. 

Bereits in den am Abend der Ankunft gewechselten Begrüßungsworten war ein Thema angeschlagen worden, das die Besucher während ihres Aufenthaltes wiederholt berühren sollte: In allen Ansprachen wurde nicht nur der Opfer gedacht, welche die zahlreichen Terroranschläge der letzten zweieinhalb Jahre in Frankreich, zuletzt wenige Tage vor dem Partnerschaftstreffen in Nizza, gefunden hatten; deutlich war vor allem der Wunsch nach und die Bereitschaft zur Solidarität und die Entschlossenheit geworden, die freiheitlichen Lebensformen in Europa gegen die Anmaßungen der Terroristen zu verteidigen. Am 22. Juni bot sich dann den deutschen Gästen die Gelegenheit, sich mit einer spezifisch französischen Art des Umgangs mit der von Terroristen ausgehenden Bedrohung vertraut zu machen; da sich inzwischen bei Gastgebern wie deutschen Gästen der am Montag vor dem Aufbruch in einem Zug bei Würzburg mit einer Axt begangene Anschlag eines mutmaßlichen Islamisten herumgesprochen hatte, konnten sich die deutschen Gäste als auch im eigenen Land Betroffene bestens in die Lage ihrer französischen Gastgeber einfühlen. Beeindruckend war die Art und Weise, mit der die französischen Gastgeber auf die Herausforderung durch den Terrorismus reagierten. Im Rahmen der in Argentat in der Woche unseres Besuches veranstalteten “Rencontres – Promenades au pay d´Argenat”, einer Kunst, Gastronomie, Information und Musik verbindenden Veranstaltungsreihe, fand die Einweihung eines Denkmals statt, das dem während des Anschlags auf die Redaktion des Satiremagazins “Charlie Hebdo” getöteten Zeichner Cabu gewidmet ist. Cabu hatte für die erste Nummer des die erwähnte Veranstaltungsreihe begleitenden Flyers ein französische Lebensfreude zum Ausdruck bringenden Signets entworfen, welches das mit einem mit Blumen verzierten Hut bedeckte Haupt eines lachenden Mannes darstellt – ein Motiv, das nun der in Argentat ansässiger Bildhauer Guillaume Andelot in eine Holzskulptur übertragen hatte, die an diesem Tag in Anwesenheit einer großen Zahl interessierter Gäste, darunter zahlreiche Bad Königer, im Garten hinter der Maison du patrimoine in Argentat aufgestellt wurde, um an Cabu zu erinnern. Die von dieser Skulptur ausgehende Botschaft: “Wir lassen uns nicht unterkriegen!” war eindeutig und als Zeichen eines zivilen Widerstandes gegen die von Terroristen ausgehenden Gefahren beeindruckend. 

Trotz des ernsten und durch Stichworte wie “Nizza” und “Charlie Hebdo” gekennzeichneten Hintergrundes diente der Besuch der Bad Königer Delegation natürlich auch der Information. Aufbauend auf früheren Treffen in Bad König und Argentat stellten die französischen Gastgeber am zweiten Besuchstag die im Tal der Dordogne besonders wichtigen Einrichtungen zur Energiegewinnung durch Wasserkraft vor. Zu diesem Zweck suchten Gastgeber und Gäste gemeinsam das am Oberlauf der Dordogne gelegene Wasserkraftwerk in Bort-les-Orgues auf. Als viertgrößtes Wasserkraftwerk Frankreichs wird hier im Laufe des Jahres Strom erzeugt, mit dem eine Stadt von 128.000 Einwohnern versorgt werden kann. Eingebettet in die Landschaften der Corrèze, des Cantal und des Puy-de-Dome, nutzt die Anlage das Wasser der Dordogne und sammelt es in einem 21 Kilometer langen Stausee. Dem Besucher bietet sich nicht nur der Anblick einer 120 Meter hohen Staumauer; in einem Informationszentrum kann er sich über die Baugeschichte des 1942 begonnen und 1952 fertiggestellten Bauwerks, über technische Details der Energiegewinnung aus Wasser und über Sicherheitsvorkehrungen unterrichten. Die Besucher aus Bad König, die von einer Mitarbeiterin der das Werk betreibenden EDF durch die Anlage und das Informationszentrum geführt wurden, machten von dieser Möglichkeit regen Gebrauch. Deutlich wurde auch, dass die nachhaltig in die Landschaft der Dordogne eingreifende Entstehung eines Stausees von beachtlicher Größe auch Chancen für neue Erwerbszweige bietet. So zeigte der Besuch des heute auf einer über einen Damm zu erreichenden Insel gelegene Chateau de Val die Möglichkeit einer touristische Nutzung der künstlich entstandenen Landschaft auf; als Ausgangspunkt für Bootsfahrten auf dem Stausee und für Wanderungen sowie als ein die am Ende des 100jährigen Krieges entstandenen Baulichkeiten präsentierendes Museum und Ausstellungsort hilft das Schloss, Touristen in diese Gegend Frankreichs zu ziehen und trägt so zur Förderung des Tourismus bei. Veraltete Wirtschaftszweige können so ersetzt werden, was insbesondere beim Besuch des Ledermuseums von Bort-les-Orgues deutlich wurde, in dem, angesiedelt in einer aufgelassenen Fabrik, die Produktion von Leder Schritt für Schritt an den noch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts genutzten Maschinen nachvollzogen werden kann. Auch wenn die Staumauer von in Bad König neuerdings nicht ganz unbekannten Mauerseglern und der kleinen Hufeisenfledermaus besiedelt ist, lässt sich allerdings nicht verleugnen, dass der Bau solcher Stauwerke einen schwerwiegenden Eingriff in die Natur darstellt; Lachse, die früher bis zum Oberlauf der Dordogne aufstiegen, findet man hier nun nicht mehr. 

Der Unterrichtung über neue politische Entwicklungen, diesmal auf kommunalpolitischer Ebene, diente der Besuch der kleinen Gemeinde St. Bazile de la Roche, die sich demnächst mit Argentat zusammenschließen wird. Der Bürgermeister von St. Bazile, Eloic Modart, begrüßte die Gäste aus Deutschland, stellte seine Kommune vor und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, die geplante Verbindung mit Argentat werde die touristischen Möglichkeiten des idyllisch am Oberlauf des bei Argentat in die Dordogne mündenden Doustre gelegenen und über schmale Nebenstraßen zu erreichenden Dorfes erweitern und verbessern. Die dem Vortrag des Bürgermeisters sich anschließende Bewirtung mit Wein, Cassis und köstlichen Häppchen unterstrich den von den Gastgebern gar nicht verhehlten Wunsch, die Bad Königer möchten doch diese Botschaft mit nach Deutschland nehmen und dort verbreiten. 

Seit einiger Zeit gehören zu den Partnerschaftsbegegnungen Arbeitstreffen beider Komitees, an denen auch Kommunalpolitiker beider Kommunen teilnehmen. Jean-Claude Leygnac, Bürgermeister von Argentat, nutzte die diesjährige Zusammenkunft im Sitzungssaal der Mairie von Argentat dazu, den Gästen aus Bad König noch einmal einen Überblick zur französischen Energiepolitik zu verschaffen. Während er die Gewinnung von Energie durch Atomkraft nur am Rande streifte, wies er auf die neben der Wasserkraft auch in Frankreich etwas an Bedeutung gewinnende Fotovoltaik und die Absicht zu einer forcierten Nutzung der Windkraft hin. Da er in seinen Ausführungen auch die Bedeutung des Tourismus zumal für Argentat und die Corrèze hervorhob, konnten in der sich anschließenden Diskussion Hinweise auf die im Odenwald erkennbar gewordenen Widerstände gegen eine so genannte “Verspargelung” der Landschaft und die von Windkraftgegnern befürchteten Nachteile für den Fremdenverkehr durch das Landschaftsbild beeinträchtigende Windräder nicht ausbleiben. Neben diesen allgemeinpolitischen Themen stand die Partnerschaft zwischen Bad König und Argentat auf der Agenda des Treffens; Herr Göckel, der kürzlich gewählte neue stellvertretende Vorsitzende des Bad Königer Komitees, berichtete über den Stand der Vorbereitungen für das Partnerschaftstreffen im Jahr 2017 in Bad König. Dabei will man sich, was den Themenschwerpunkt anlangt, zur Wahrung einer gewissen Kontinuität und Vertiefung erneut Umwelt- und Energiethemen widmen, wobei 2017 der Klimaschutz im Vordergrund stehen wird. In der sich anschließenden Aussprache standen Besorgnisse im Mittelpunkt, die sich aus dem nachlassenden Interesse an der jeweils anderen Sprache ergeben. Bedauert wurde, dass es in absehbarer Zeit vorerst zu einem Schüleraustausch zwischen Schulen in Bad König und Argentat nicht mehr kommen wird, nachdem das Kollegium der Carl-Weyprecht-Schule sich zu derartigen Fahrten nicht mehr in der Lage sieht. Zeitweise zu Fragen deutscher Bundespolitiker Anlass gebende Bestrebungen der Pariser Politik, den Deutschunterricht in französischen Schulen einzuschränken, waren ebenfalls Thema; Bürgermeister Leygnac betonte unter allgemeinem Beifall, das Interesse an der jeweils anderen Sprache sollte gefördert werden, was auch der Partnerschaft zwischen den Städten zugute komme. 

Als der Bus mit den Bad Königer Argentat-Reisenden am Sonntagabend kurz vor 21 Uhr den Parkplatz an den Brunnengärten ansteuerte, neigte sich eine Reise dem Ende zu, die den Teilnehmern nicht nur schöne Einblicke in eine touristisch reizvolle und liebenswerte Landschaft und freundschaftliche Begegnungen beschert hatte; die Einsicht, dass wir in Deutschland mit denselben Problemen und Herausforderungen zu kämpfen und dabei uns allen, Deutschen wie Franzosen, gemeinsame Werte zu wahren haben, dürfte gewachsen sein, und das Partnerschaftskomitee wünscht sich, noch viele Bad Königer Bürgerinnen und Bürger auf diesem gemeinsamen Weg mitnehmen zu können. 

(Text: Thomas Seifert; Fotos: Bernd Gottschalk)