Partnerschaftsbegegnung 2023

Von fliegenden Schweinchen, rätselhaften Odis und abgehobenen Bürgermeistern – Bericht über das Partnerschaftstreffen Bad König – Argentat vom 30. August bis 3. September 2023.

Die schönen Tage, die wir in Bad König erleben durften, werden noch lange in unserer Erinnerung wach bleiben!“

Es war schon spät am Samstagabend, kurz vor Mitternacht, als Nicole Farges, Vorsitzende des Partnerschaftskomitees von Bad Königs Partnerstadt Argentat-sur-Dordogne, diesen Satz in den trotz der späten Stunde gut gefüllten Saal der Wandelhalle rief. Sie sprach mit diesen Worten nicht nur ihrer Kollegin vom Bad Königer Partnerschaftskomitee, Ellen Nisch, sondern allen rund fünfzig Gästen, die den Weg von den Ufern der Dordogne an die der Mümling gefunden hatten, und deren Gastgebern aus dem Herzen. Sie alle hatten sich hier zu dem traditionell die Partnerschaftstreffen beschließenden Offiziellen Abend zusammengefunden; die seit der Anreise am Mittwoch, dem 30. August 2023 vergangenen Stunden waren mit einem von dem Bad Königer Komitee und der Stadt Bad König vorbereiteten bunten Programm ausgefüllt, das eine Mischung aus sportlichen Aktivitäten, kulturellen und kulturgeschichtlichen Anregungen und gastronomischen Genüssen geboten hatte, über die im Folgenden zu berichten sein wird.

Beginnen will ich aber mit den bei solchen Treffen nicht wegzudenkenden Reden und Ansprachen der „Offiziellen“; es waren überschlägig dreizehn, die während des diesjährigen Partnerschaftstreffens gehalten wurden. In aller Regel setzen solche Reden mit der Begrüßung der Erschienenen ein, und es gehört dazu, dass zwei oder drei gerade in der besonderen Gunst des Redners stehende Personen den Vorrang genießen, coram publico namentlich erwähnt werden. Nicht weniger routiniert stellen die Redner ans Ende ihrer Ausführungen gemeinhin den Dank an die zahlreichen Helfer, ohne die dem zu feiernden Ereignis niemals der Rahmen hätte gegeben werden können, in dem es tatsächlich stattgefunden hat; auch das ist zweifellos ein unverzichtbarer Bestandteil solcher Ansprachen. Der mittlere Teil schließlich dient zur Vermittlung des vom Anlass vorgegebenen Anliegens.

Im Falle der zur Feier der inzwischen übrigens einundvierzig Jahre bestehenden Partnerschaft zwischen Bad König und Argentat gehaltenen Reden standen natürlich auch in diesem Jahr die deutsch-französische Freundschaft, der Beitrag, den Städtepartnerschaften dazu leisten, und das diese Partnerschaften erst wirklich mit Leben füllende Engagement der Bürgerinnen und Bürger, zumal der Mitglieder der Partnerschaftskomitees, im Mittelpunkt. Die solche Ansprachen bei allem Pathos kennzeichnende Routine wurde in diesem Jahr freilich gleich zweifach unterlaufen.

Zum einen hatten die Bad Königer und ihre französischen Gäste die Gelegenheit, ein nachdrückliches Bekenntnis des noch nicht allzu lange Zeit amtierenden und erstmals in Bad König weilenden Bürgermeisters der Stadt an der Dordogne, Sébastien Duchamp, zur Jumelage zu vernehmen. Er habe schon viel über die Partnerschaft gehört, ließ Duchamp seine Zuhörer wissen; das unmittelbare Erlebnis der zwischen den Gastgebern und ihren Gästen aus Argentat in zahlreichen Gesten und im Umgang miteinander manifest werdenden Freundschaft habe ihm aber die Bedeutung dieser Partnerschaft noch einmal ganz lebendig vor Augen geführt: „Ich bin beeindruckt, muss ich sagen!“ – so Duchamp, der schon am Samstagvormittag bei einem weiteren „offiziellen“ Termin zu erkennen gegeben hatte, nun verstanden zu haben, wie wichtig diese Freundschaft den Menschen in den Partnerstädten geworden ist.

Zu Recht riefen die Redner aber auch einen Umstand in Erinnerung, der zwar auch bei früheren Ansprachen nie vergessen wurde, aber spätestens bei den ja ebenfalls von einer gewissen Routine beim Verfolgen gängiger Ansprachen beeinflussten Zuhörern gerne als zu derartigen Reden nun einmal gehörendes Versatzstück zur Kenntnis genommen und dann „abgehakt“ zu werden pflegt. Die Rede ist von der von allen Rednern hervorgehobenen Bedeutung der Städtepartnerschaften für Zusammenarbeit und Frieden in Europa, ein Gedanke, der im Laufe der Zeit angesichts eines sich festigenden friedlichen Zusammenlebens der Menschen in Europa ein wenig seine praktische Bedeutung verloren zu haben schien. Der Überfall des putinschen Russland auf die Ukraine gab nun aber Anlass, auf die Bedeutung von Frieden und auf die das Verständnis füreinander und damit auch den Frieden fördernde Arbeit der Partnerschaften europäischer Städte mit Nachdruck einzugehen und wieder in den Vordergrund zu stellen. Der Beifall, den solche Ausführungen am „Offiziellen Abend“ fanden, zeigt sehr deutlich, dass man sich auch in dieser Frage einig ist.

Als Beispiel für die zwischen den Odenwäldern und ihren französischen Freunden selbstverständlich gewordenen Bindungen kann hier das am Donnerstagvormittag an der Hans-Neidig-Halle in Nieder-Kinzig veranstaltete Pétanque-Turnier herangezogen werden. Da standen nicht etwa deutsche Teams im Wettbewerb mit französischen, vielmehr bildeten sich ohne Rücksicht auf die Herkunft gemischte Mannschaften, die in vier Runden um die Ehre kämpften, vom Vorsitzenden des Bad Königer Pétanque-Vereins, Matthias Etrich, am Abend während des Europäischen Bürgerfestes auf dem Schlossplatz in Bad König geehrt zu werden. Dabei war es sicher nur dem Zufall geschuldet, wenn diese Siegerehrung sowohl einer deutschen Spielerin wie auch einem französischen Pétanque-Spieler zuteil wurde. Wenn die Pétanque-Runden in Nieder-Kinzig jeweils damit eröffnet wurden, dass ein Teammitglied die „Sau“ aufs Spielfeld warf, muss das selbst für deutsche Tierschützer kein Grund zur Empörung sein, handelt es sich bei der „Sau“ doch lediglich um die kleine Kugel (auch „Schweinchen“, „cochonnet“ genannt), die ins Feld geworfen wird und in deren möglichst nächster Nähe anschließend die großen Pétanquekugeln zu platzieren sind. Auf die Beschreibung weiterer Spielregeln dieses unterhaltsamen Sports kann an dieser Stelle verzichtet werden; Auskunft gibt hier gern der Verein “Pétanque-Sport Bad König e. V.“

Schon der Pétanque-Wettbewerb ließ Raum für manches Gespräch, sei es auf dem Spielfeld oder an dessen Rand, und diese Unterhaltungen konnten Teilnehmer wie Zuschauer am Abend während des Europäischen Bürgerfests unbeschwert fortsetzen, durch dessen Programm der Bad Königer Stadtrat Bernd Gottschalk, auch engagiertes Mitglied des Partnerschaftskomitees, gekonnt führte. Gottschalk konnte bei dieser Gelegenheit den bekannten Weltmeister im Stepptanz Florian „Flo“ Bowitz und eine ihm nacheifernde, in der Ballettschule Krings betreute junge Truppe ankündigen und auch einige unter den Zuschauern weilende in der Kunst musikalischer Darbietungen Bewanderte zu Kurzauftritten animieren, und so kamen die Besucher des Festes in den Genuss von Auftritten von „Alfredo“ mit dem Akkordeon, „Tschogge“ sang den Beatles-Song vom „Yellow Submarine“ und „Nicole aus Bordeaux“ brachte „unplugged“ einige französische Chansons zu Gehör. Auch ein kurz gehaltenes Grußwort des Vorsitzenden des Bad Königer Ausländerbeirats Ülkü Ismail konnten die Besucher des Festes hören, während sie sich den vom Eiscafé, dem Café Endlich , von den Kartoffelräubern aus Gumpersberg und von der Metzgerei Urich bereiteten leiblichen Genüssen widmeten. Für Getränke sorgten die Bad Königer Feuerwehr hinter ihrer Biertheke und ein Weinstand des Partnerschaftskomitees, und während man den Speisen und Getränken zusprach, unterhielt Roland Sommer auf der Hammondorgel.

Für den kulturellen Höhepunkt nicht nur des Europäischen Bürgerfests, sondern des Partnerschaftstreffens insgesamt stand in diesem Jahr der aus Argentat angereiste Männerchor „Los Gojats del Porti“, der sein Können schon gleich nach der Ankunft der Gäste aus Argentat, kaum dem Bus entstiegen, bei einem spontanen Auftritt vor der Rentmeisterei unter Beweis stellte und ein in baskischer Sprache gesungenes Lied darbot.

Der im Jahr 2014 unter anderen von Pascal Vieillemaringe gegründete Chor besteht gegenwärtig aus fünfzehn Sängern, von denen einige auch für die instrumentelle Begleitung des Gesangs zuständig sind, was sie mit Gitarre, Trompete und Vielle (auch: Vièle), einem Saiteninstrument mit Kurbel, bewerkstelligen. Die Sänger widmen sich vor allem dem traditionellen okzitanischen Liedgut, hatten aber für den Besuch in Bad König auch das, wie man hört, in Südfrankreich zurzeit sehr beliebte Lied vom „Griechischen Wein“ auf Deutsch einstudiert, dessen Darbietung auf dem Schlossplatz eine spontane Polonäse auslöste, bei der die Biergarnituren ins Wackeln gerieten. Begeisterung riefen aber auch die Vorträge von Liedern über den „Stern der Minnesänger“ („L´étoile des Troubadoures“) und die „Zeit der Gabariers“ hervor, in dem die Flussschiffer besungen werden, die früher von Argentat die Dordogne abwärts fuhren und in ihren achtzehn Meter langen Frachtkähnen Eichen- und Kastanienstämme nach Bordeaux verfrachteten, wo das Holz zum Bau von Schiffen und Weinfässern verwendet wurde. Den Weg zurück nach Argentat traten die Schiffsleute zu Fuß an. Die Verbundenheit mit ihrer Heimat stellten „Los Gojats del Porti“ aber auch mit dem Lied von „Argentat la belle, Perle de la Xaintrie“ unter Beweis, einer Liebeserklärung an Bad Königs Partnerstadt, das Limousin und den von munteren Forellen bevölkerten Fluss Dordogne. Die Bad Königer, die schon in Argentat waren, können diese tiefe Verbundenheit zu der herrlichen Landschaft zweifellos nachempfinden. Der Name der Sängervereinigung, die auch die Bewohner der Bad Königer Seniorenresidenzmit einem Auftritt beehrte, wäre im Übrigen frei mit „Burschen vom Felsen“ zu übersetzen, wobei „Porti“ für einen in der Dordogne aufragenden Felsen steht. Es versteht sich, dass der Chor auch den „Offiziellen Abend“ mit einem Auftritt ausklingen ließ und mit dem Udo Jürgens-Song vom „Griechischen Wein“ auch hier zu einer Polonäse Anlass gab.

Zum kulturellen Austausch zählte schließlich auch der Auftritt des Männergesangvereins „Liederkranz“ aus Bad König am „Offiziellen Abend“, der ebenfalls einen beeindruckenden Beitrag zur Partnerschaftsbegegnung leistete. Der Chor glänzte mit dem Vortrag eines Lieds von Franz Schubert („O wie schön ist deine Welt“), des sächsischen Volkslieds „ich liebte einst ein Mädchen“, einer „Dalmatinischen Volksweise“ und dem bei Männerchören hierzulande beliebtem „Bajazzo“. Auch der Leiter des Chors ließ es sich nicht nehmen, sein Können am Flügel unter Beweis zu stellen: Herr Janetzki trug das Stück „Schéhérazade“ von Robert Schumann und Claude Debussys „La Fille aux cheveux de lin“ („Das Mädchen mit den flachsblonden Haaren“) vor.

Musste sich Bad Königs Bürgermeister Axel Muhn während des Bürgerfests auf dem Schlossplatz für den Anstich des von der Bad Königer Brauerei Bannenberger gestifteten Fasses noch der Hilfe des Alt-Bürgermeisters Jean-Claude Leygnac versichern, konnte er am folgenden Abend beim Besuch der Zeller Kerb den Bieranstich gemeinsam mit dem neuen Maire Sébastien Duchamp exerzieren. Duchamp konnte sich aber nicht nur über das schäumende Bier freuen, sondern auch über die Einweihung einer neuen, im Baugebiet Am Gänsbrunnen liegenden Straße, die fortan den Namen „Rue d´Argentat“ führen wird. Der Bürgermeister der Partnerstadt schloss bei Gelegenheit der Enthüllung des Straßenschildes gleich einmal Bekanntschaft mit einigen Bad Königern, die ihn auf der bereits gegossenen Bodenplatte ihres hier entstehenden Neubaus herzlich begrüßten. Sein Kollege aus dem Odenwaldstädtchen nutzte die Gelegenheit zu dem Hinweis, dass im Baugebiet „Am Gänsbrunnen“ unterhalb der Carl-Weyprecht-Schule bereits alle Plätze verkauft und einige schon bebaut sind. Die Nachbarschaft zur CWS bescherte unserem Bürgermeister und dem aus Argentat zudem noch ein Erlebnis der besonderen Art: Die zu einer Katastrophenübung zum Schulgelände ausgerückten Einsatzkräfte erlaubten den beiden Kommunalpolitikern nämlich unter Verwendung des an einer Drehleiter befestigten Beförderungskorbs einen Ausflug in luftige Höhen, von denen aus sie das zu ihren Füßen liegende Kurstädtchen betrachten konnten.

Einen unvergesslichen Blick von oben, nun aber auf die ehemalige Residenzstadt der Kurfürsten von der Pfalz, bot sich Deutschen und Franzosen auch am Freitag während eines Besuchs des am Neckar gelegenen Heidelberg. Trotz einer gründlichen Vorbereitung durch ein von Mitgliedern des Bad Königer Partnerschaftskomitees gebildeten Teams war die Visite des Heidelberger Schlosses zwar von gelegentlichem Nieselregen begleitet, der die Besucher aber nicht davon abhielt, sich die weitläufige Anlage zu erschließen. Dabei riefen die romantischen Ruinen auch so manches Ereignis aus der gemeinsamen Geschichte von Deutschland und Frankreich in Erinnerung, war das Schloss doch bereits im Pfälzischen Erbfolgekrieg von Soldaten des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Auch der zum Schloss gehörende Renaissancegarten, entworfen von dem französischen Gartenarchitekten Salomon de Caus, bot mit dem „Scheffelblick“, einem Goethe-Gedenkstein und der kolossalen Steinfigur von „Vater Rhein“ so manchen Anknüpfungspunkt zu Geschichte und Kultur, und natürlich zog neben dem Großen Fass auch das im Schloss untergebrachte Deutsche Apothekenmuseum die Gäste aus dem Odenwald und der Corrèze an.

Nach einem Mahl in der im alten Marstall untergebrachten Mensa der Heidelberger Universität – manch ein Besucher mag dabei auch in die Tage seiner Studentenzeit zurückversetzt worden sein – durchstreiften die Besucher auf eigene Faust die zu Füßen des Schlosses liegende Altstadt von Heidelberg, ausgestattet mit ausführlichen Hinweisen zu den dort anzutreffenden Sehenswürdigkeiten. Gewiss fand dabei auch der eine oder andere Gast den Weg in eines der zahlreichen Geschäfte; von einem Besucher aus Bad König wird berichtet, dass er in einem nahe der Heiliggeist-Kirche gelegenen Antiquariat gleich drei Bücher erstanden hab – als hätte er davon noch nicht genug! Wer, des Pflastertretens müde, nach einer Oase der Ruhe suchte, musste nicht lange suchen. So landete zum Beispiel der Berichterstatter mit sieben Franzosen in der Brauereigaststätte „Vetter“, die ihr schmackhaftes und unbedingt zu empfehlendes Gebräu auf Bierdeckeln servierte, denen die auch in diesem Bericht nicht zu unterschlagende Information zu entnehmen war, das hier gebraute Bier sei das „nach Stammwürze (33 %) stärkste Bier der Welt“, so auch nachzulesen im Guiness-Buch der Rekorde von 1994.

Es versteht sich, dass der Genuss des Getränks nicht nur die Stimmung weiter hob, sondern auch die Zungen löste. Trotz mancher Suche nach der passenden französischen Vokabel war so ein lockeres Gespräch möglich; lange aber musste der Verfasser dieser Zeilen rätseln, was denn wohl gemeint war, als einer seiner Gesprächspartner immer wieder von einem „Odi“ erzählte. War das etwa eine französische Abkürzung für unseren Odenwald? Mit der Auflösung dieses Rätsels soll dieser Bericht geschlossen werden: Die Rede war von einer bekannten deutschen Automarke.

Thomas Seifert